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Erst kürzlich haben wir auf unseren letzten Streifzügen die Ursprünge der ehemaligen Ortschaften Sassnitz und Crampas aufgesucht. Nun, wollen wir uns mit Dwasieden, einem Teil der Rügener Baugeschichte nähern, das ebenfalls mit dem heutigen Sassnitz eng verwoben ist. Es geht um das "weiße Schloß" an der Steilküste zum Meer, welches den Schiffsreisenden, die eine Dampferfahrt von Stettin nach Sassnitz gebucht hatten, hörbar Bewunderung abverlangte.  Nach dem zweiten Weltkrieg hatte man es gesprengt. Örtlich befand sich das Schloß einst auf dem Weg zwischen Mukran und Crampas. 

Mühevoll irren wir durch den dicht von Buchen und Eichen bewachsenen Wald am Hochufer von „Dwasieden“. Einzige Orientierung: Der Marstall oder besser das, was von ihm noch übrig blieb. Allein die Außenmauern verraten, das selbst dieses Nebengebäude des „weißen Schlosses“ einmal viel Geld gekostet haben muss. Der Zustand: Eine Schande. Unwillkürlich hält man inne. Ein leichter Windzug und ein Rauschen. Das Meer ruft aus nächster Nähe: Schließe Deine Augen...


Als Sassnitz und Crampas noch kleine verträumte Dörfer waren und ihre Bewohner noch nicht einmal ahnten, dass sie eines Tages vom Kaiser besucht würden, da lief nur wenige Minuten von ihnen entfernt ein Mann durch das Gehölz von „Dwörsied“ oder auch "över dwas" genannt. 1871 hatte er sich in dieses Fleckchen Erde verliebt und wollte in unmittelbarer Nähe zum Wasser ein Schloß errichten: „Dwasieden.“ Baulich ausgerichtet an der vorhandenen Natur: Mit der einen Seite Richtung Wasser, mit der anderen Seite Richtung Wald. - Soweit die Planung. Zuvor hatte der Geheime Komerzienrat von Hansemann jedoch das Rittergut Lancken kaufen müssen, denn zu diesem gehörte Dwasieden zu jener Zeit. Und so galt das Schloß mit seinem Park als Anhängsel von Lancken - Aber was für eins! Nachdem die vormaligen Besitzer (die Familie von Barneckow) sich von ihrem Besitz getrennt hatten, stand dem Traum jedoch nichts mehr im Weg...


Zur Baustelleneinrichtung wurde der Wald stellenweise gelichtet um Baufreiheit zu schaffen. Der Transport des Materials erfolgte auf dem Seeweg. Granit und Pitchpine-Holz kam aus Schweden. Der Sandstein aus Frankreich. Anschließend mussten die Handwerker das Material über das Hochufer bis zum Bauplatz transportieren. Der betriebene Aufwand war enorm.


Das eigentliche Gebäude sollte nach den Plänen des Architekten Friedrich Hitzig (s. Abb. oben, aus dem Architektonischen Skizzenbuch v. 1879) 100 Meter Länge und 90 Fuß Tiefe haben. Seeseitig überragt von zwei Türmen, die sich am Stil einer Doppelturmvilla der Renaissance in der Formenvielfalt des Klassizismus präsentierten. Ein Markenzeichen des Planers, der damit den Stil seines Lehrers Schinkel weiterentwickelte und zu einem der begehrtesten Baumeister seiner Zeit wurde. Der stolze Preis des Bauvorhaben betrug, inklusive der Gestaltung des 16 Hektar großen Waldes, vier Millionen Mark. Ausgeführt wurden die Zulieferungen und Arbeiten übrigens unter Beteiligung einheimischer Unternehmen, wie der Holzhandlung Seitz & Kindt und dem Maurermeister Th. Teichen sowie dem Zimmerermeister G. Walter - Namen, die uns bereits aus dem Dorf Crampas durch die Erwähnung der Villa "Teichen" und der Villa "Walter" vertraut sind. 


Das Schloß selbst war großzügig geplant. Von der Waldseite erreichte man über eine bedeckte Unterfahrt, aus einer Kutsche oder einem Auto steigend, trockenen Fußes den Eingangsbereich, in dem sich der Wind fing. Die Erschließung der Etagen erfolgte über die Galerie. Der Empfangsaal stellt dabei für beide Etagen den Mittelpunkt des Gebäudes dar und begründet gleichzeitig den Zweckbau als Repräsentationsgebäude. Alle anliegenden Räume gliedern sich in beiden Etagen um diesen Saal. 

Im Gegensatz zum Festsaal des Schlosses in Putbus, welches nach dem Abbrand 1865 durch den Breslauer Architekten Pavelt wieder aufgebaut wurde, besteht hier allerdings mit dem Wandelgang im Obergeschoss, der durch die anliegenden Zimmer erreichbar ist, eine kommunikative Ebene zum Saal. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch die natürliche Beleuchtung durch ein gläsernes Oberlicht, welches in beiden Fällen der Zeit entsprach. Fraglich bleibt allerdings, warum Friedrich Hitzig das für Hansemann bestimmte Schlafzimmer im Obergeschoss seeseitig ausgerechnet über der bedeckten Halle plante. Zwar muss Hansemann hier ein wunderschöner Blick aufs Meer möglich gewesen sein, aber der ließ sich nur bei gutem Wetter im Sommer genießen.


Die Ausstattung der einzelnen Räume war kostspielig und wurde durch die sich zahlreich einfindenden Gäste aus Hochfinanz, Adel und Staatsdienst gewürdigt. So wurde beispielsweise Decken mit aufwendig verzierten Kassettendecken ausgestattet und durch Wandtäfelung aus Eiche ergänzt. Eine großartige Sammlung von Altertumsschätzen und Gemälden trug ebenso zur eine dekorativen Gestaltung des Funktionsbaus bei.


Seeseitig waren beidseitig vom Schloß Säulengänge angelegt, die von den bereits erwähnten Türmen überragt wurden. - So jedenfalls präsentierte sich der Sommersitz auch dem Schiffsreisenden aus der Ferne. Übrigens: Im Jahre 1880 wurde der Baumeister Friedrich Hitzig noch einmal auf die Insel gerufen. Ein Marstall sollte in unmittelbarer Nähe zum Schloß errichtet werden. Die Stromversorgung von Schloß und Marstall erfolgte später über eine Fernleitung vom Rittergut Lancken aus. Dafür hatte man dort (gegenüber dem Gutshof Lancken, an der Chaussee Crampas - Bergen) eigens eine Dynamomaschine angeschafft, die 500 Volt erzeugte. Dies war u. a. notwendig, um die Leistungsverluste auf die zu überwindende Entfernung auszugleichen. Zuvor hatte man eine Lokomobil, eine Dampfmaschinenanlage die sich passiv bewegen ließ, genutzt.

Plötzlich erschüttert ein Krachen den Himmel. Düstere Rauchwolken ziehen Richtung Altstadt. Der Traum vom „weißen Schloß am Meer“ ist wie eine Seifenblase zerplatzt. Längst sind die Augen weit aufgerissen. Sockel, Säulen und Podest liegen weit verstreut im Wald. Nur die äußeren Begrenzungen – die Reste der Pavillons – wehren sich noch gegen ihr Schicksal. Hansemann konnte sich etwa 25 Jahre an seinem Schloß erfreuen. Das war keineswegs übertrieben, denn die Vorfreude auf seinen Lieblingsort, ist belegt. Dabei folgt er gewissen Ritualen: Die Fahrt nach Sassnitz wurde stets abends angetreten und im Speisewagen ließ er sich dazu eigens gebratene Flundern servieren.


Als er jedoch am 8. Dezember 1903 die Augen für immer schloss, endet mit ihm auch eine Ära, die Sassnitz und Rügen viel gegeben hatte. Weil sein Sohn bereits drei Jahre vor ihm starb, ging der gesamte Fideikomissbesitz zusammen mit dem Schloß „Dwasieden“ an den erst 16-jährigen Enkel Albrecht von Hansemann. Als auch dieser während des ersten Weltkrieges seiner Kriegsverwundung am 17. Januar 1917 erlag, erlosch mit ihm auch die Familie Hansemann im Mannesstamm.

Erbfolgebedingt ging der Besitz nun an den erst siebenjährigen Enkel, Gert Kuno Albrecht von Oertzen. Doch auch er konnte das Ererbte nicht halten. Unter dem finanziellen Druck erfolgte 1935 der Verkauf des Schlosses an die Gemeinde Sassnitz. Im guten Glauben räumte die Familie der Stadt einen Vorzugspreis ein. Doch die Gemeinde hatte nicht vor, den erworbenen Besitz für einen Kurbetrieb zu nutzen. Am 4. Oktober 1935 erfolgte stattdessen die Übergabe des Schlosses mit dem gesamten Areal an die Marine für die Einrichtung der (damals weltweit einzigen) Entfernungsmessschule. Kasernen entstanden im Umfeld. Sie wurden 1948 noch vor dem Schloß gesprengt...


Doch damit endete die Militärgeschichte dieses Ortes noch nicht, wie Heizhaus, Werkhalle und einige weitere Gebäude verraten. So wurde der Marstall u. a. als Nachrichtenzentrale der 6. Flottille der Volksmarine genutzt. Auch war hier das Marinebaubataillon 18 stationiert.


Heute - nach der Zeit als militärisches Sperrgebiet und als neue Wüstung der Stadt Sassnitz - mangelt es nicht an Ideen für die Zukunft. Alleine das Areal gibt keinen Anlass zur Hoffnung. Doch was wäre, wenn in Sassnitz nicht die Verantwortung hinter Schildern - wie „Betreten verboten!“ - enden würde? Dann wäre da immer noch der schöne Traum von einem großen Haus am Meer aus französischem Sandstein, schwedischem Granit und hellem Marmor, umgeben von einem Park, der zum Spazieren einlädt sowie alten Torhäuschen samt Umfassungsmauern, welche das Areal einfrieden. Ein Stück dieses Gedankens hat der Rüganer Ralf Lindemann mit seinem Buch "Das weiße Schloß am Meer" eingefangen und damit die Erinnerung wach gehalten (für Interessierte sicher eine hilfreiche Empfehlung!).


Vielleicht verdient noch ein sogenannter Wächterstein und die Hölle an dieser Stelle eine Erwähnung. Als "Hölle" wurde die Stelle vom Park Dwasieden aus bezeichnet, wo sich an ein hohes Sandkliff eine einfallende Kreidepartie anschließt. Auch gab es an der Küste ein Vorkommen an Fayence-Mergel, doch dieser kalksteinhaltige Ton sollte für Dwasieden bedeutungslos bleiben.


Am Uferweg des Schlosses, das etwa 20 Meter über dem Strand thronte, schweift unser Blick zum Leuchtturm hinüber. Wir blicken hinab zum Strand, wohin einst eine Treppe führte und ein mit Granitsteinen befestigter Landungsplatz Booten das An- und Ablegen ermöglichte. Dann führt uns der Weg in Richtung Lancken...

Mein Dank geht an Kathrin und Norbert, die mich auf diesem Streifzug begleiteten.



PS: Nicht vergessen werden soll ein kleiner Blick auf die Karte:



Was, Du kennst diese Orte nicht?

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