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Im Herzen der Insel Rügen lag einst - zwischen Neuendorf und Muglitz – das lange schon untergegangene Kirchspiel Maschenholz. Heute besuchen wir auf unserem Streifzug über die Insel Rügen Boldevitz. Hier fanden die Steine der bereits 1550 aufgegebenen Kapelle zu Maschenhof Verwendung beim Bau eines Herrenhauses...

„Der ganze Strich ist mit adligen Höfen wie besät. Ich sage mit Höfen, nicht mit Dörfern, denn die meisten Dörfer bestehen nur aus einem herrschaftlichen Wohnhaus und wenigen Wirtschaftsgebäuden.“ bemerkte Johann Friedrich Zöllner 1795 bei seiner Reise durch Schwedisch-Pommern in Bezug auf das westliche Rügen. Wir wissen nicht, an welches - der vielen um 1600 erbauten Herrenhäuser vom Typus des „Festen Hauses“ - Zöllner dachte. Verschanzt hinter Wall und Graben erinnern und erinnerten jedoch die Bauten in Renz, Venz, Pansevitz oder Üselitz in ihrem Charakter an mittelalterliche Burganlagen.

Wir werfen einen Blick nach Boldevitz. Fernab dem Reise- und Urlaubsverkehr liegt es versteckt an der Straße zwischen Bergen und Gingst. Der Flecken fand seine erste urkundliche Erwähnung 1314 und war lange Zeit im Besitz der alten rügenschen Adelsfamilie von Rothermund. Wenn man den Überlieferungen Julius von Bohlens glauben schenken mag, soll Claus von Rothermund um 1600 die – im Eingang erwähnte - Maschenholzer Kapelle abgetragen haben um deren Steine zum Bau eines Herrenhauses in Boldevitz zu verwenden. Da ihn jedoch bereits 1600 das Zeitliche segnete, ist dies mehr als unwahrscheinlich. Und so folgen wir einer zweiten Spur, die uns über seinen jüngeren Bruder, den Landrat Gutzlaf von Rothermund, zu dessen Enkel Phillip Gutzlaf von Rothermund führt.


Denn 1799 gab der Gingster Präpositus Johann Gottlieb Picht an, dass während dem „dreyßig-jährigen Krieg (von 1618 bis 1648 – Anm. d. Red.) ...der Prediger zu Maschenholz gestorben und die Kirche eingefallen sei“, und dass „der damalige Besitzer von Boldefiz Herr Phillip Gutzlaf von Rothermund....“ die baulichen Reste „der Kirche weggefahren und sein Hauß zu Boldefiz davon bauen“ lassen habe. Vieles spricht für die Aussage, denn der besagte Krieg schüttelte kräftig das Land und ließ die Menschen zur Ader. Warum sollte man also eine ungenutzte Kapelle erhalten? So gab es gute Gründe die für eine Errichtung des Herrenhauses in Boldevitz – vielleicht auch aus einem Bestand heraus – um 1635 sprechen.

Wie dem auch sei. Das Herrenhaus zu Boldevitz diente nach Phillip Gutzlaf nur noch seinem einzigen Sohn Caspar Detlov. Der letzte Träger des Namens von Rothermund wird 1711 in der Familiengruft der Gingster Kirche begraben. Zu nachträglichem Bekanntheit kommt er allerdings nicht durch seine Teilnahme an verschiedenen Feldzügen, sondern weil er 1686 aus Ungarn eine türkische Frau mitbringt und fünf Jahre darauf alles daran setzt, um sie taufen zu lassen. Diese - für damalige Verhältnisse außergewöhnliche Begebenheit eines verheirateten Adligen - verarbeitete Ernst Moritz Arndt in seinen „Märchen aus dem Norden“. In der Erzählung vom Rabenstein berichtet er über den reichen und vornehmen Herren Friedrich von Rotermund, dem Herren zu Boldevitz. Dieser soll nachdem er sich aus dem Heidenlande eine wunderschöne Türkin mitgebracht hatte, mit ihr ein Kind gezeugt haben, dass ebenfalls den Namen Friedrich trug. Schön wie ein Sonnenschein und wild wie ein kosakisches Pferd konnte er sich nach dem Tode des Vaters seinem Halbbruder nicht unterordnen. Friedrich flieht vor der Zucht und zieht in die Welt hinaus. Als er wieder heimgekehrt war, kam er in den Besitz eines Rabensteins und ging den Pakt mit dem Teufel ein. Der so zu Geld gekommene Friedrich kaufte seinem Halbbruder Boldevitz ab und gab sich fort an als Edelmann und Christenmensch – doch er blieb in der Macht des Teufels. In einer Nacht wurde er schließlich zu einem Galgenfest nach Putbus getrieben. Auf einem öden Heidehügel bei Kasnevitz musste er sich dann mit dem Jasmunder von Zuhmen, der ebenfalls im Besitz eines Rabensteins war, auf Leben und Tod schlagen. Am Ende streckte er seinen Widersacher - mit dem Turmschlag Eins - nieder und flieht blutüberströmt heim nach Boldevitz. Nur die Beichte beim Pastor ließ ihn seine Frieden finden.

Soweit die erfundene Geschichte. Wahr ist: Die eheliche Tochter von Caspar Detlov von Rothermund – Beata Dorothea – heiratete 1708 den schwedischen Generalmajor Mellin. Sie erbt auch Boldevitz. Das Herrenhaus ist zu diesem Zeitpunkt ein verputzter Backsteinbau mit Eckquaderung und einem annähernd quadratischen Grundriss. Zeitzeugen beschreiben es als kostbar und präsentabel gleich einem Schloss. Innen finden sich auf 3 Stockwerken gute Gemächer und Appartements, die wohl möbliert sind. Charakteristisch für das Haus: Zwei parallel zur Front laufende Satteldächer.

Nach dem Tod ihres Mannes 1738 veräußert Beata Dorothea Boldevitz an den Grafen Moritz Ulrich I. von Putbus. Der verkauft es nach Verpachtung und Verpfändung schließlich 1762 an den schwedisch-pommerschen Regierungsrat Adolf Friedrich von Olthoff. Der lässt erst mal die Handwerker anrücken, um das Herrenhaus wieder herzurichten. Es beginnt eine kurze und bedeutende Zeit für Boldevitz, denn zur „Gesellschaft“ des Kunstmäzens und Freimaurers gehörten nicht nur Geistliche, wie Lavater oder Spalding, sondern auch Maler, wie Matthieu oder Hackert. Letzterer – Philipp Hackert – wohnte von 1762 bis 1764 auf Boldevitz und gestaltete mit Tempera die leinenden Tapetenfelder des Festsaals mit Ideallandschaften, die an bekannte Motive der Insel Rügen erinnern.


Das Ende der Ära von Olthoff beginnt mit dem Zusammenbruch der Stralsunder Münze. Boldevitz wird 1767 verpachtet und schließlich 1780 versteigert. Erworben wird es nun von der Familie des Kammerherrn Christian Friedrich von der Lancken. Ludwig Theodor Kosegarten, der hier als Hauslehrer zwischen 1778 und 1779 beim Gutsverwalter Wewetzen angestellt ist, weiß über die Familie in seiner Erzählung „Ralunken“ zu berichten, dass die angelsächsische Familie von der Lancken im elften Jahrhundert ins Land kam. Auch Boldevitz verändert sich. Nun wurden beidseitig die niedrigere Seitenflügel mit Walmdächern an das Herrenhaus angefügt. Sie sind in der Fassade bündig und verlängern die Fassade des Mitteltraktes.

Nach dem Tod des Vaters übernahm sein ältester Sohn Rickmann Gottlieb 1784 die Bewirtschaftung des Gutes. Er organisierte 1795 die Dienste und Abgaben neu. Die Feldmarken der Bauern wurden zum Gutshof gelegt. Ernst Moritz Arndt: „So wurde denn ein schönes Dorf nach dem andern geschleift.“ Etwa die Hälfte aller Wüsten Dörfer entstanden so auf Rügen. Ursache: Das Ansteigen der Kornpreise rief einen Schacher mit Bodenwerten hervor. Arndt kommentiert: „Der Reiz des leichten schnellen Gewinnes untergrub alle Gefühle von Menschlichkeit und Großmuth...“ Der Unmut wuchs und es regte sich sogar Widerstand – offen aber nur vorübergehend!


Übrigens, Rickmann Gottlieb von der Lancken musste dennoch Konkurs anmelden. Allerdings konnte die Verbindung zwischen Boldevitz und der Familie von der Lancken erhalten bleiben. Nachdem zunächst sein Schwager Carl von Wakenitz - der mit seiner Schwester Friederika verheiratet war – die Besitzung Boldevitz übernahm, wurde diese später als Mitgift - für Emilie von Wakenitz - Stammsitz der Familie von Gottliebs Bruder, Fritz (Friedrich) von der Lancken. Damit begann die Ära der Familie von der Lancken-Wakenitz. Boldevitz war eines der ersten Häuser Rügens - sein vornehmer und repräsentativer Stil bekannt.


Aus dieser Zeit erhielt sich bis heute auch die Gutskapelle. Der 1839 aus Backsteinen errichtete und verputzte Bau zeigt in seinem halbrunden Chorabschluß des Langhauses auch das geführte Wappen der Familie von Lancken-Wakenitz mit dem Wahlspruch: „Semper Idem“. Das heißt so viel, wie: „Immer derselbe“. Die Beständigkeit bezog sich ursprünglich auf den Gesichtsausdruck Sokrates, weil der Geist durch den er entsteht unverändert blieb. So gesehen, ist Boldevitz was es immer war: Ein Herrenhaus.

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