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Endlich hat es geklappt! Schon seit längerer Zeit wollten wir unseren Streifzug von Ranzow über das Steilufer in Richtung Victoriasicht unternehmen, nun ging es endlich gemeinsam mit dem Hagener Burkhard Perleberg los. An einem sonnigen und angenehmen Februartag starteten wir vor dem ehemaligen Herrenhaus Ranzow und sollten diese später, am ersten Apriltag noch einmal mit weit über vierzig Wanderern wiederholen... Nun kann dieser auch endlich umfangreich dokumentiert und nachgetragen werden.

Ranzow - Wie viele andere Flecken der Insel ist dessen Ersterwähnung im Jahre 1314 - damals als "Ransowe", später auch als "Ranzowe" - erfolgt. Die Siedlung selbst bestand im 16. Jahrhundert aus vier Bauernhöfen und 2 Katen - die waren damals noch im Besitz der Familie von Jasmund. In den folgenden Jahrhunderten wechselten dieser jedoch zur Familie von der Osten, dann schließlich zur Familie von der Lancken. Zeitzeugen merkten zu den Bewohnern an: 

"...früher haben auf Ranzow beide gewohnt, Bauern und Kossaten..." 

Nur unweit davon und heute auf dem Golfplatz des "Privathotels Schloß Ranzow" gelegen, befand sich einst das Fischerdorf Krivitz - auch "Krievitz" geschrieben. Der nördlich von Ranzow gelegene Ort und das südlich von Ranzow gelegene Schwierenz - galten bereits 1909 im Jahrbuch der Pommerschen Geografischen Gesellschaft als Nebenwohnplätze und waren Bestandteil des Gutes Ranzow mit seinen etwa 208 ha Fläche. 

Die heutige Wüstung Krivitz lässt kaum erahnen, wie es hier früher aussah. Die Häuser, die hier früher standen waren weiß verputzt und weiß gekalkt, hatten Krüppelwalmdächer mit einer Rohreindeckung und bisweilen kam auch ein Fachwerk mit Backsteinen ausgemauerter Fachung zum Einsatz - wie beim Restaurant "Krivitz". Es ließ sich durch einen örtlichen Vorsprung zum Meer verorten, ein weiterer östlich wurde Satekaas genannt. Etwas weiter östlich davon - und damit auch vom Krievitzer Bach - befindet sich der Gesnicker Bach, ein früher gut mit Findlingen am Ufer befestigter Flusslauf, der am Steilufer hinab in die Ostsee fällt. Beide Bäche gliedern mit ihren wasserseitigen Schluchten auch die Nordküste Jasmunds.

Erwähnt werden soll an dieser Stelle noch das ehemalige Leuchtfeuer Kriewitz, welches oftmals auch als Leucht- bzw. Orientierungsfeuer Ranzow bezeichnet wurde. 1904 durch die Firma Pintsch errichtet und baugleich mit dem Leuchtturm am Kollicker Ort, war das Seezeichen aus der "Tübingbaureihe" trotz seiner geringen Höhe von nur 6,5 Metern bis zu 14 Seemeilen sichtbar, da er sich auf einer Höhe von etwa 55 Meter über Mittelwasser befunden haben soll. Der Rundturm selbst hatte einen weißen Anstrich, eine rote Galerie sowie ein grünes Spitzdach. Dessen bekrönende Wetterfahne verriet, wie beim Kollicker Leuchtfeuer, einst sein Baujahr. Zunächst mir einer Gaslampe ausgestattet, erhielt der Turm 1936 elektrisches Licht, wurde ab 1978 fernüberwacht und hatte zum Schluss eine elektrische Drehoptik mit einer Halogenlampe, die erst am 1. Oktober 1999 für immer erlosch. 2002 erfolgte der Abbau des Turmes. Heute steht das Leuchtzeichen übrigens im Hafen von Lauterbach - es hat dort allerdings nur noch repräsentativen Charakter. (s. auch Streifzug 115)

Entlang am Hanken-Ufer, unterhalb an der Ostsee als Grüttstrand bezeichnet, geht es über den alten immer schattigen und seit über einhundert Jahren beliebten Uferfußweg, der einst auf Geschiebemergel und Sand angelegt wurde. Vor uns in Richtung Ostsee liegt der Hundbäckagrund, der Weg zieht sich weiter östlich über das Lieper Horn (auch "Liperhörn"), Buhrkom, Hellenberg und Stubbenhorn sowie dem Teufelsgrund bzw. Teufelsschlucht in Richtung des ehemaligen Gasthofes in der Stubbenkammer geht.

Zur Lage Stubbenkammers sei angemerkt, dass diese sich dort befindet, wo die Kreideküste mit 119 Metern - im Nordosten der Halbinsel Jasmund - ihren höchsten Punkt erreicht. Der Name selbst mutet eigentümlich an und wird im Plattdeutschen auch als "Stubbenkamer" oder "Stübbenkammer" bezeichnet. Beziehen soll er sich auf Störtebeker, der nun hier mit seinen Likedeelern (Gleichteilern) - so die alten rügensche Überlieferungen, die bis in das 17. Jahrhundert zurückreichen - seine "Stube und Kammer" gehabt haben soll. Ob es so war? Wer weiß das schon, in jedem Fall eine schöne Legende! 

Auch wird seit etwa 1800 die Stubbenkammer in die Hauptfelsen unterteilt: Die Kleine Stubbenkammer (im Süden) und die Große Stubbenkammer (im Norden). Wer es etwas genauer mag kann sie auch stärker von Süden aus (wie der Heimatforscher Prof. Dr. Alfred Haas es tat) gliedern in: Klein-Stubbenkammer, 

Die Schlucht zwischen Klein-Stubbenkammer und dem Königsstuhl, den vor dem oberen Rande über ein schmalen Halsteil weit vorspringenden etwa 119 Meter hohen Königsstuhl, die Schlucht mit den Kreidepfeilern zwischen dem Königsstuhl und dem Feuerregenfelsen, die zerklüftete Wand von Groß-Stubbenkammer und die Teufelsschlucht.  

Seitlich davon geht noch kurz vor der einstigen Gastwirtschaft ein früher befestigter Weg ab, der zu einem Bunker führt. Er stammt aus der Zeit der DDR. Bedeckt von einem Erdhügel ragen aus seiner Decke noch einige Luftschächte. Früher von zwei Seiten zugänglich, sind heute beide Türen blockiert, aber noch gut auszumachen. Von hier führt eine lange Treppe aus Beton zur Hochebene, auf dem einst der Gasthof Stubbenkammer war. Doch um dessen Anlegung zu verstehen bedarf es noch einer kleinen Rückschau.

Eigentlich war Stubbenkammer und der Königstuhl lange Zeit kaum bekannt. Das änderte sich erst im Zuge der Anlegung des ersten Bades in Sagard durch den Pastor Willich. Er sorgte auch dafür, dass 1801 eine kleine rohrgedeckte Hütte für die Gäste seines Sargarder Gesundbrunnens angelegt wurde, die auch ggf. eine Übernachtung zuließ. Grümbke beschrieb kurz darauf (1805) eine Hütte zur Übernachtung und einen Saal mit Seitenkabinetten zum Schutz vor Wind und Wetter. 1823 war bereits von einer als "Köhlerhütte" bezeichnetem Gasthaus die Rede, welches durch einen Sagarder namens Lockenvitz seine Bewirtschaftung erfuhr. In den 1830er Jahren erfolgte dann der Bau eines Hauses im Schweizer Stil nach den Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel und im Auftrag Friedrich Wilhelm IV. - allerdings soll der "Königliche Gasthof Stubbenkammer" bereits im Jahre 1848 abgebrannt sein und im gleichen Jahr wieder aufgebaut wurde. Als auch dieser Bau 1891 abbrennt, erfolgt ein massiver Neubau, der zwei Jahre später als "Hotel Stubbenkammer" eröffnet wird. 

Nach 1945 wird der Gasthof dann - wie auch das Umfeld, auf dem später der Bunker errichtet wurde - Teil eines Sperrgebietes und militärischer Stützpunktes der Grenzsicherung, die zunächst durch Grenzpolizeieinheiten ("Grenzbereitschaft Küste") des Landes Mecklenburg und später durch die "Grenzbrigade Küste", die aus der Volksmarine ausgegliedert worden war, erfolgte. Diese Einheiten arbeiteten eng mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS), der Volkspolizei und der Bezirkszollverwaltung zusammen. Auf der Insel Rügen war das Grenzbataillon 2 (GB.2) mit seinem Stab auf Stubbenkammer stationiert. Weitere Kompanien befanden sich in Sellin, Lohme, Sassnitz und am Kap Arkona sowie auf dem Dornbusch von Hiddensee und auf den Rügen vorgelagerten weiteren Inseln Ruden und Greifswalder Oie.   

Nach 1989 erfolgt der Rückbau der militärischen Anlagen in der Stubbenkammer. Auch die Zuordnung des Besitzes erfuhr eine Neuordnung. Wie aus später eingesehenen Verträgen hervorgeht, ist von Seiten des Landes der Stadt Sassnitz die Gründung einer Gesellschaft auferlegt worden, deren Mehrheit dem World Wide Fund For Nature (WWF) - einer umstrittenen privaten Stiftung - vorab bereits zugeschrieben wurde - so ein uns bekannter Zeitzeuge. Ihr, der Stiftung, obliegt heute die Betreibung des ehemaligen Gebäudes des Gasthofes als Nationalparkzentrum. Später wurde auch veranlasst, dass der Zugang zum Königsstuhl, dem Wahrzeichen der Insel, nur über das Areal des Nationalparkzentrums möglich ist. 

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass es hier noch vor ein paar Jahren zwei Steine gab, die an die Eheleute Ruge erinnerten . Sie haben eine bewegte Geschichte und eine Odyssee hinter sich, die sich auch mit dem Besuch des pommerschen Malers Caspar David Friedrich verknüpft:

Dieser unternahm 1815 mit dem Königlichen Münzbuchhalter Dr. Friedrich Gotthelf Kummer eine Reise nach Rügen, bei der sie auch die Stubbenkammer besuchten. Während Friedrich Zeichnungen anfertigte (Zeichnung Caspar David Friedrichs vom Königsstuhl - s. unten), versuchte sich Kummer darin, den Königsstuhl zu erklimmen. Allerdings verstieg er sich so, dass er erschöpft und weder vor noch zurück kam. Friedrich, der schließlich das Unglück bemerkte, konnte ihm aber allein nicht helfen, so dass er durch die Stubnitz zum Baumhaus eilte, um Hilfe zu holen. Der dort ansässige Baumwärter Hans Jacob Ruge, seine Frau Regina Elisabeth und der Knecht York brachen darauf mit Hacke, Spaten und Stricken auf, um Kummer aus der misslichen Lage zu befreien. Mittels Stufen, die in die Kreide geschlagen wurden, gelang ihnen mit viel Mühe und Anstrengung die Rettung Kummers, der darauf noch über ein dreiviertel Jahr durch die Familie Ruge gepflegt wurde. Kummer blieb der Familie sein Leben lang dankbar und stiftete ihnen die besagten Steine und ließ sie nach deren Ableben - Regina Elisabeth starb 1839 und Hans Jacob 1844 - auf ihre Gräber auf dem Friedhof Bobbin setzen.

Nach 1945 wurde die Grabstelle eingeebnet und beräumt, die Steine aber wurden 1968 bei einem Steinmetz in Bergen wieder entdeckt und gekauft, um sie am Baumhaus Schwierenz aufzustellen. 1977 wurden sie dort gestohlen und tauchten im Frühjahr 2009 wieder auf und wurden zurück gegeben. Ab 2010 waren sie dann am Königsstuhl mit einer Tafel ausgestellt. Nun, 2024, waren sie - nach den Bauarbeiten am Königsstuhl - wieder verschwunden. Nachfragen beim Nationalparkzentrum gab es daraufhin durch mehrere Rüganer. Der Verbleib konnte allerdings zwischenzeitlich geklärt werden.  

    


Nachfolgend sperrte man den für Besucher attraktiven Abstieg am Königsstuhl - trotz Protestes der Rüganer )der Fotograf und Autor Klaus Ender bei einer der Demonstrationen am 31.03.2018 - s. Foto oben) und einer Machbarkeitsstudie, die die Möglichkeit eines Abstieges bestätigt - und letztlich auch den Königsstuhl selbst. Dieser ist heute nur noch über die zunächst als "Königsweg" später als "Skywalk" und im Volksmund als "Klobrille" bezeichnete Pylonbrücke aus der Nähe zu betrachten. 

Das Bauvorhaben galt - wie auch der Vorgängerbau in den 90ern - ebenfalls von Anfang an als umstritten, weil die Einheimischen nicht einbezogen und letztlich vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Die Geländer (die ersten wurden auf dem Königstuhl um 1820 angebracht) und alte Baumbestände mussten dem Projekt weichen - dies ist bereits bei einer voran gegangenen Beschreibung des Königsstuhls (auf muttlaender.de) umfassend dokumentiert worden. Und: Auch der Blick auf die See wird durch Windräder beeinträchtigt, die man eigentlich (so versprach man es damals vor deren Errichtung den Rüganern) nicht sehen sollte.

Ob, wie es die Sage immer noch erzählt, der "Königsstuhl" seinen Namen daher trägt, dass hier wirklich ein Schwedenkönig (beliebt ist die Nennung von Karl XII.) ein Seegefecht zwischen Schweden und Dänen beobachtet hat? Man weiß es nicht. - Angeblich soll die Seeschlacht am 5. oder 8. August 1715 gewesen sein. Der Ausgang soll unentschieden gewesen sein, während die beiderseitigen Admirale den Tod fanden... Der Heimatforscher Baier will dagegen auf die Frage, woher der Kreidefelsen seinen Namen erhielt, von Einheimischen gesagt bekommen haben:

"Dor het Carolus up seeten un het de grote Seeschacht tokeeken, de sine Scheep, mit de Russen hadden. As he nu seech, dat sin Scheep wieken müssten, ging he up ne lütte Jacht, un dormit flücht´t he sich mit säwen Offiziers to de Türken..." 

Wie dem auch sei - der Hagener Burkhard Perleberg bezieht sich auf alte Überlieferungen und favorisiert letztlich vier Erklärungen für Gäste, die ihn zu Wanderungen begleiten:

1.) Zur Königswahl gehörte in früheren Zeiten den Kreidefelsen von See zu bezwingen !
2.) König Karl XII von Schweden hat 1715 von dem Kreidefelsen ,die Seeschlacht zwischen der Schwedischen & Dänischen Flotte beobachtet.
3.) Wenn man am Morgen mit einem Schiff um die Insel fährt und der Kreidefelsen von Großstubbenkammer von der Sonne angestrahlt wird, sieht er majestätisch aus !
4.) Bevor man den Königstuhl betritt überquert man ein Hügelgrab , dort soll ein König begraben sein!

Und da Rüganer gegenüber ihren Gästen duldsam sind, kann jeder für sich selbst entscheiden, welche der Erklärungen ihm am besten zusagt.

Übrigens ist der Königsstuhl nicht die höchste Erhebung der Insel! - Er belegt lediglich den 4. Rang, denn der westliche Wall der Herthaburg, auf die noch später eingegangen wird, ist bereits 136,4 Meter hoch. Und noch höher sind der Falsinger-Berg mit 153 Metern (im Jagen 134) und der Piekberg mit 160,7 Metern (im Jagen 115).

Zwei sehr schöne Aussichtspunkte sind "Wilhelmssicht" und "Victoriasicht" (s. Foto unten - Burkhard Perleberg an der Victoria-Sicht), so benannt nach dem Besuch des damaligen Königs Wilhelm I. und der Kronprinzessin Victoria von Preußen am 10. Juni 1865. Einst war auch die "Wilhelmssicht" durch einen Findling gekennzeichnet, heute zeugt nur noch das Fundament von dem Punkt. Von Süden ist die einstige Ansicht (wie sie noch Caspar David Friedrich rühmte) des Königsstuhls, einem Naturdenkmal und dem Wahrzeichen der Insel, heute durch ein umstrittenes Bauwerk neueren Datums, auf das bereits vorab Bezug genommen wurde, gestört. 

Nachzutragen ist, dass unweit der "Wilhelmssicht" sich seit den 1890-Jahren ein Nebelhorn befand. Zwischen den beiden Aussichtspunkten soll der Überlieferung nach in den 1850er-Jahren ein Gutsbesitzer aus Liebeskummer den Tod gesucht haben. Während die einen später behaupteten, er sei dazu auf einem Pferd sitzend herangesprengt und mit diesem unten "zerschellt" angekommen, berichteten andere, das sein Pferd den gehorsam verweigert habe und der Mann allein den Tod fand. 

Zwischen Königsstuhl und Klein-Stubbenkammer (Foto oben - Blick vom Königsstuhl nach Klein-Stubbenkammer) befand sich, wie bereits erwähnt, früher über Jahrhunderte ein Abstieg. Er wurde erst vor wenigen Jahren auf Drängen einiger Aktivisten gesperrt, nachdem ein Baum auf den Abstieg gefallen war. An der Südseite des Königsstuhls entspringt zudem die 1584 erstmals erwähnte eisenhaltige "Golchaquelle" (oder auch "Golgathaquelle"), die als "Golchabach" oder "Golcher Bach" zum Strande hinabrauschte. Die gute Wasserqualität wurde schon bald für die Versorgung des Gasthauses genutzt. Zunächst durch ein System von Röhren und ab 1905 mit einer Pumpe, der sogenannten "Schmidtschen Pumpe". Dank dem Förster Bernd Merting wurde diese später unter Denkmalschutz gestellt. Als der Abstieg gesperrt wurde, setzte sich sein Freund Burkhard Perleberg und seine Mitstreiter mehrfach für die Sicherung des technischen Denkmals ein, bis sie schließlich im vergangen Jahr (Foto unten - Einzelteile der Schmidtschen Pumpe am Tag der Bergung, dem 15. August 2023) auf Druck der Bürger, endlich im letzten Jahr geborgen und kürzlich aufgearbeitet wurde. Angemerkt soll hier noch werden, dass nach alten Überlieferungen, die der Heimatforscher Prof. Dr. Alfred Haas niederschrieb, die Golchaquelle einem unterirdischen Abfluß des Herthasees zu verdanken sei. Er erwähnte auch, dass früher unweit der Golchaquelle sich eine Höhle Störtebekers befand, in die man einst seeseitig mit Schiffen einfahren konnte, weil die Ostsee höher gestanden hätte.

 

Wir wenden uns nun wieder Ranzow zu: Dabei passieren wir vom ehemaligen Gasthaus aus ein weiteres altes Gebäude mit Nebengebäuden und einem nicht mehr existierenden filigranen Sendemasten - dabei handelte es sich um die erste drahtlose Sprech- und Empfangsstation Deutschlands. 

Weiter geht es am ehemaligen Standort der Herthabuche vorbei. Sie befand sich einst etwa 150 Meter östlich vom Herthasee. Der stattliche Baum wurde vor guten 100 Jahren bereits auf ein Alter von 400 bis 500 Jahren geschätzt - obgleich der Volksmund sie mit tausend Jahren angab. 

Die Stammhöhe betrug nur ca. 65 cm und hatte einen geschätzten Durchmesser von 1,25 Metern. Dieser trug insgesamt einen und sieben weitere Hauptäste, weshalb die Überlieferung sich hielt, dass die Buche eigentlich aus sieben Buchen zusammen gewachsen sei. Bereits im 19. Jahrhundert drohte er abzusterben, wurde dann aber auf Anordnung von dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. so gepflegt, dass er zunächst gerettet werden konnte. Dann - im Winter zum Jahreswechsel von 1925 zu 1926 hat ein Sturm etwa 1/3 der Krone heruntergeschlagen. Heute steht die Hertha-Buche nicht mehr, weshalb auch in gewissen Nächten des Jahres keine Elfen mehr nach ihrem Bade im Herthasee um die Buche bei Mondschein tanzen können. Schade!

Vorbei an den Sagensteinen und dem Opferstein geht es weiter in Richtung Herthasee - auch "Burg See" oder "Schwarzen See" genannt - wobei wir uns rechts haltend auch die Sagensteine passieren. Im Anschluss begeben wir uns durch die Herthaburg mit  einem der bekanntesten Burgwälle der Insel, der eine Fläche von etwa 120 m Länge und vielleicht 60 m Breite einschließt. Ihre Entstehung soll etwa 1.000 Jahre zurück liegen. Wie viele andere Wallanlagen Rügens wurde die Anlage der Herthaburg durch natürliche Gegebenheiten wie dem See und moorigem Gelände begünstigt, da dadurch ein natürlicher Schutz gegen mögliche Angreifer bestand. 

Die mit ihr und dem Umfeld verknüpften Sagen und ihr Bezug zur germanischen Göttin Hertha wurden in den letzten 150 Jahren immer weiter ausgeschmückt und vielen im Zuge des aufkommenden Fremdenverkehrs auf eine große Resonanz. Bis heute regt sie die Gedanken und Fantasien genauso an, wie die Geschichten um den "Pfennigkasten"...

Dieser wiedereum befindet sich direkt an dem Weg, den wir nun zum Baumhaus Schwierenz nehmen müssen. - Allerdings muss hier gleich zu Beginn mit einem Irrtum aufgeräumt werden: Der ursprüngliche Pfennigkasten, ein Steinmal unweit der Herthaburg, ist nicht mehr vorhanden. Es könnte sich - wenn man den Beschreibungen von Schwartz im Jahre 1745 folgt - dabei einst um einen Art Opferaltar gehandelt haben. 1791, so jedenfalls schreibt es auch Johann Jacob Grümbke, habe er ihn noch gesehen. Wilhelm von Humboldt berichtete dazu:

"In der Gegend des Walles, weiterhin im Walde sollen zwei andere Denkmäler des Altertums stehen, der sogenannte Pfennig-Kasten und eine Steinkiste. Von erstem soll indessen jetzt nur noch ein Stein zu sehen sein..."

Johann Friedrich Zöllner, der ebenfalls die Insel bereiste, wird bei der Lage und dem Aussehen des ursprünglichen Pfennig-Kastens etwas genauer: 

"Nordwestlich von dem Burgwall sind einige eckige Steine, die im Viereck gelegt sind. Die hiesigen Einwohner nennen sie den Pfennig-Kasten..."

Allerdings muss dazu angemerkt werden, dass auch hier die Angaben Zöllners in Zweifel zu ziehen sind, da er sich über die Himmelsrichtungen am Herthasee nicht klar gewesen ist. So muss denn Schneider an dieser Stelle zitiert werden, der meinte:

"Nahe bei dem Burgwall befindet sich ein jetzt schon versunkenes Gestein, wovon Erzähler noch mehrere aufrecht stehend gekannt hat. Man nennt solchen den Pfennigkasten, und er soll der Sage nach dazu gedient haben, die Opfer, die man der Göttin Hertha oder deren Priestern brachte, aufzunehmen. Wahrscheinlicher ist es ein versunkenes Grabmahl..."

In dem 1823 verfassten Werk fährt der Autor sodann fort mit den Worten:

"Ein sehr wohl erhaltenes Denkmal dieser Art trifft man noch am Fußsteige, der von Herthaburg nach dem Dorfe Hagen führt, rechts am Wege unter einem großen Baum an, vielleicht das Schönste von allen..."

Womit wir beim heutigen "Pfennig-Kasten" angekommen wären. 1819 soll dieses Hünengrab bereits  geöffnet gewesen sein. Hier finden sich heute noch Pfennige- und Cent-Stücke. Hineingeworfen wurden sie zu allen Zeiten und auch von vielen bekannten Leuten - wie dem pommerschen Arzt Rudolf Virchow. Und: Das soll schon beim alten Pfennigkasten so gewesen sein, wo die Priester das der Göttin Hertha geopferte Geld warfen und im Steinkasten aufbewahrten. 

Lage und Aussehen dieses eigentlichen Zeitzeugen waren schon vor über 100 Jahren wenig genau und aussagekräftig. Der nun mit dem Namen bezeichnete Ort ist jedenfalls ein anderer Ort, ein geöffnetes Hünengrab. 

Weiter nach Ranzow geht es nun über Schwierenz (Foto oben - alter Hohlweg in Richtung Schwierenz), das aus dem Ort und dem östlich der ehemaligen Siedlungsstätte befindlichen Baumhaus bestand. 

Nachdem wir das Baumhaus passiert haben, kommen wir an den Waldrand der Stubnitz, wo sich linker Hand die besagte Wüstung befindet. Der Ort des einstigen Kossatenhofes, wurde erstmals im 17. Jahrhundert erwähnt. 

Er ist allenfalls (Foto oben - Burkhard Perleberg bei der Wüstung Schwierenz, dem Ort, wo Vorfahren von ihm lebten) noch durch Fundamentsteine der längst nicht mehr vorhandenen Häuser und den heutigen Bewuchs der Landschaft feststellbar. Nach etwa 700 Metern erreichen wir wieder den Flecken Ranzow...

Für die Begleitung auf den Wanderungen beim diesjährigen Rügener Wanderfrühling - am 1. und 30. April 2024 - und der nachfolgenden inhaltlichen Ausarbeitung danke ich Burkhard Perleberg für seine Unterstützung und seine Hinweise. Die schönen Streifzüge, die wir beim Wanderfrühling auch mit Wanderfreunden - davon viele Rüganern - unternahmen, sind Teil einer schönen Erinnerung an dieses Jahr.

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