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Rügen bietet mit seinen zahlreichen Schiffsverbindungen zu anderen Inseln schöne Tagesausflüge für die ganze Familie. Wer jedoch die pommersche Insel Wollin mit seinem Seebad Misdroy besuchen möchte, nimmt seinen Weg meist über die Insel Usedom...


Viele Wege führen heute auf die Insel Wollin, gelegen zwischen Swine und Dievenow. Da gibt es die Fähre, die direkt den Swinemündern und Fußgängern vorbehalten ist, und den Fahrgast noch unmittelbar im Hafen auf die Insel Wollin nach Ostswine bringt oder aber die Fähre, die etwa 9 Kilometer südlich von Swinemünde allen vorbehalten ist, die als Gast mit dem Auto unterwegs sind. Nach einer Fahrt durch den Wald von Friedrichsthal setzt man hier mit der Autofähre kostenfrei in Richtung Lognitzer Ort über. Während rechter Hand noch die "Alte Swine" grüßt, befindet man sich schon auf direktem Wege über die Halbinsel Pritter nach Misdroy.

Das Seebad liegt an der westlichen Küste Wollins und - wie der Berliner Edwin Müller 1869 in seinem Reiseführer "Swinemünde, Heringsdorf –Misdroy, Führer für Badegäste und Touristen durch die Haupt-Seebäder der Inseln Usedom und Wollin" schrieb -

"...umschlossen von den Abhängen einer bewaldeten Hügelkette, die bei den Lebbiner Bergen am Haff beginnt, und sich über Misdroy hinaus am ganzen nördlichen Küstensaume der Insel hart am Meeresstrande hinzieht..."

Wer heute in das Zentrum des Seebades fährt, wird vor allem auf die vielen Parkplätze aufmerksam, die schon vorab zur Ausfahrt auffordern. Da es jedoch erst März ist, kann man ohne Sorge bis zum Kurpark des Seebades fahren. Gegenüber des Hauses "Stella Matut" findet sich ein idealer Platz, um von hier aus den Ort zu erkunden. Der Weg führt zunächst in Richtung des Kurhauses, dass bis heute nichts von seinem alten Charme eingebüsst hat. Ein Blick zurück lässt auch die Kirche des Ortes in der Ferne erkennen. Der markante Ziegelbau wurde in den 1860er Jahren nach Plänen des Baumeisters Friedrich August Stüler (1800-1865) auf der Königshöhe errichtet.


Wer sich mit der Geschichte des Seebades Misdroy beschäftigt, muss zuerst die geografischen Besonderheiten betrachten. Einst ging von der Stadt Wollin aus ein Weg zur Swinemündung. An der Stelle des einzigen Überganges von der eigentlichen Insel Wollin zur Halbinsel Pritter befand sich der sogenannte "Alte Krug", eine Gastwirtschaft die lange Zeit im Besitz der jeweiligen Landesherren war. Hier wurde nun ein Ort angelegt, dessen Einwohner im Wesentlichen von der Fischerei (u.a. durch den Fang von Stören, Dorschen und Heringen) lebten. Zudem hielten sie Bienen. Allerdings findet der Ort erst 1554 als "Misdroige" seine Ersterwähnung. Neben dem Krug und zwei Bauern, die im Dienst des Landesherren standen (Karsten Schmedt und Paul Tepelke) gab es noch die sechs Untertanen (um 1570) der kirchlichen Probstei Cammin (daher auch "Prawester" oder "Probsteier" genannt), die Ackerflächen bewirtschafteten. Streit kam zwischen ihnen oftmals auf, weil Letztere begannen im herzoglichen Forst das Holz zu roden, um es weiter zu verkaufen (zum Beispiel für den Bootsbau). Doch da über Misdroy der einzige Paß zwischen der Halbinsel Pritter und Wollin war, zogen auch die Kaiserlichen und die Schwedischen Soldaten im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) durch den Ort. Am Ende gab es neben dem "Krüger" namens Kruke nur noch drei Bauern...


Erst mit dem Jahre 1776, als vier Kolonistenfamilien (von Peter und Carl Krüger sowie Jeremias Lippert und Ludwig Guth ist die Rede) angesiedelt wurden, nahm auch die Zahl der Bewohner Misdroys wieder wesentlich zu. 1802 gab es neben dem "Erbkrüger" noch die zwei Halbbauernhöfe, 2 Büdner und eben jene Kolonisten. 45 Jahre später waren es neben den bereits Erwähnten weitere 19 Büdner sowie 3 Einliegerfamilien, die sich hier angesiedelt hatten. Bereits 1835 kamen nun Gäste, denen Swinemünde und Heringsdorf zu großstädtisch geworden war. Sie begannen in Misdroy Seebäder zu nehmen. Der Schulze Pust kamen ihnen dabei mit dem Bau eines Gesellschaftshauses entgegen. Zudem wurden Badehütten für Frauen und Männer errichtet. Die Anzahl der Badegäste betrug 1846 bereits etwa 500. Diese fanden sich bereits am frühen Morgen an der Heringspackerei und bei den Warnowschen Booten ein.


Die Preise für Unterkünfte sollen anfangs noch sehr preiswert gewesen sein, auch weil immer neue Häuser in Misdroy gebaut wurden. Neben Gesellschafts- und Wirtshäusern, fanden sich schon bald Fleischer, Bäcker und Einkaufsläden, die sich der steigenden Nachfrage ihrer Kunden erfreuten. Angeboten wurden außerdem Fahrten mit Booten und Kutschen. Schon damals baute man immer mehr Häuser in Richtung der Dünen. Dieser Drang zur See und der Druck des damit verbundenen Kapitals lässt sich heute noch deutlich von der in den 90er Jahren erbauten Seebrücke beobachten. Während die erste Reihe mit Villen und Pensionen in der bekannten Bäderarchitektur an der Strandpromenade hinter der bewachsenen Düne verschwinden, haben nun Rodungen begonnen, um eine neue erste Reihe (an der ehemaligen Viktoria-Promenade) zu schaffen. Sie sind ungleich massiver und größer. Die Hotels und Appartments schaffen auch hier neue Maßstäbe.


Auch die Seebrücke, die nur noch in Ansätzen an die "Kaiser Friedrich Brücke" erinnert, setzt neue Maßstäbe. Souvenirs und vor allem das leibliche Wohl stehen im Mittelpunkt. Wer nicht bereits an seinem Fitness-Plan für die nächsten Wochen arbeitet, dürfte allerdings kaum den Verlockungen standhalten können. Eis in den verschiedensten Variationen und vor allem Torten, die man so wohl kaum woanders zu sehen bekommt. Die Reue kommt jedoch erst nach dem Genuß und so lohnt sich vielleicht beim Gaumenschmaus an einen Ausflug in die nähere Umgebung zu denken: Eine Strandwanderung zum Vorgebirge Swinhöft oder zur Steilküste an der Puck, eine Exkursion zum Gosanberg oder zum Kaffeberg, ein Expedition durch den Pritterschen Forst oder an den Jordansee?


Wer lieber über die Strandpromenade schlendert, kann durchaus einige Perlen der Bäderarchitektur betrachten. Aber: Auch hier liegen Verfall und Sanierung noch eng beieinander. Zum Beispiel beim Haus "Seestern", dass schon wieder im alten Glanz erstrahlt. Gleich gegenüber, ebenfalls an der Strandpromenade (in Richtung der Seebrücke) steht das ehemalige Hotel "Seeblick", dass durch seine abgerundete Form sofort auffällt und einst auch vom Strand einer der Blickfänge war. Im Detail sieht man auch bei weiteren Gebäuden, wie dem Hotel "Miramare", den alten Glanz, der wieder in vollendeter Schönheit erstrahlt. In diesem Sinne hat Misdoy also auch für Architektur-Liebhaber einige Überraschungen parat. Dennoch fehlt die Geschlossenheit des historischen Ortsbildes, wie man es beispielsweise heute wieder in Binz auf der Insel Rügen finden kann.


Am Ende sei noch auf einige bedeutende Gäste des Seebades eingegangen. Zu ihnen zählten (als der Badeort in seiner Blüte stand) sicher Heinrich von Stephan (1831-1897), dem wir die Organisation deutschen Postwesens verdanken, oder der Mediziner Rudolf Vichow (1921-1902). Das der Ort noch immer prominente Besucher anzuziehen weiß, mag der "Walk of Fame" belegen, wo sich u.a. Roman Polanski verewigte. Seit 1996 findet in Misdroy ein Filmfestival statt, dass neben Schauspielern, Regisseuren und Autoren auch weitere Gäste in das Ostseebad strömen lässt.


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